Luigi Ciasullo – The Importance of Having Honest Eyes

Im Frühling 2010 schaute die Welt in die USA. Präsident Obama brachte seine Gesundheitsreform durch eine der beiden Parlamentskammern. Das Gesetz gibt es noch immer und hat vielen US-Amerikanern aus der Armut, der Ausgrenzung und auch der Angst geholfen. „Angst ist ein Dauerbegleiter im Kapitalismus“ sagte schon Karl Marx.
Für den Künstler Luigi Ciasullo war zur selben Zeit die Lebenssituation prekär und seine Optionen fast aufgebraucht. Doch es tat sich ein Hoffnungs-Spalt auf. Ein Kunstprojekt in einer Berner Kirche gab ihm neuen Schub. „Armutsbetroffene trotzen ihrer Situation und zeigen ihre Kunst“ war das Motto. Ciasullo wurde 2010 angefragt, mitzuwirken. So entstand das Bild, welche auch seine persönliche Situation darstellte. Der Künstler flehend am Bildrand, bettelt um Zuneigung oder Aufmerksamkeit. Es kostete ihn Überwindung und Mut, sich so zu inszenieren.
12 Jahre später hat sich der Künstler mit dem Bild versöhnt. „Es entlud sich viel negative Energie, als ich das Bild schuf,“ konstatiert der Maler. Es hat auch nach 12 Jahren nichts von seiner Energie und Aussagekraft eingebüsst. Oder um es in den Worten von Hermann Hesse zu sagen: „Jedem Ende wohnt ein Anfang inne.“
Das Thema ist weiterhin aktuell. Und so freute es Luigi sehr, als er von der Diakonie Deutschland angefragt wurde, das Bild in einer neuen Wanderausstellung zeigen zu dürfen.
Wer genau hinschaut, erkennt die Personen trotz der – absichtlichen – Unschärfe. Es sind die damals amtierenden sieben Schweizer Minister (Bundesratsfoto 2010). Die unscharfen Figuren hasten durchs Bild, im Hintergrund leuchtet das golden stilisierte Bundeshaus. Dabei übersehen die Minister den Bettler, der ihnen das Gesicht und einen Hut hinhält.
Schon damals setzte er das Thema Ausgrenzung in diesem starken Bild um. Heute kämpfen Menschen mit den Folgen der Coronaviruspandemie. Für Luigi bleibt das Bild ein Mahnmal: „Überseht die Leute am Rand der Gesellschaft nicht.“

Andreas Pitz